Schülerinnen und Schüler sind in ihrem wirtschaftlichen Verhalten unterschiedlichen Impulsen ausgesetzt. Wir nennen stellvertretend und beispielhaft nur zwei:
- Der Slogan „Geiz ist geil!“, die „Kultkampagne“ der Elektronikhandelskette „Saturn“, regt zu einem wirtschaftlichen Verhalten an, das ausschließlich am eigenen Vorteil orientiert ist.
- Logo und Begriff von „Fair-trade“ steht für ein wirtschaftliches Verhalten, das Interessen anderer Menschen im Prozess der Ökonomie eine zu berücksichtigende Berechtigung zuerkennt.
Das eine Verhalten zielt auf eigenen Nutzen, auf Eigennutz, das andere zielt auf Fairness und Gerechtigkeit. Das eine Verhalten verzichtet explizit auf Ethik, das andere Verhalten versucht, ethische Werte im wirtschaftlichen Handeln zu verwirklichen. Die individuelle Spannweite des Agierens ist weit.
Das gilt allerdings nicht nur für Individuen, das gilt für ökonomische Subjekte jeder Art. Firmen und Banken können sich eine ethische Orientierung auferlegen oder nur auf Gewinnmaximierung aus sein. Und nicht nur die Akteure im ökonomischen Prozess stehen vor der Frage einer ethischen Orientierung, es stellt sich die Frage, ob der ökonomische Prozess als solcher so zu gestalten ist, dass er, indem er ökonomischen Nutzen schafft, auf die Verwirklichung ethischer Werte zielt.
Wirtschaftsliberale Positionen treten dafür ein, den ökonomischen Prozess sich nach seiner „Eigendynamik“ und ohne „störende“ Beeinträchtigung durch nicht-ökonomische Vorgaben entfalten zu lassen, da so die Effektivität der Wirtschaft, der Gewinn, am größten sei. Sozialdemokratisch-sozialistische, pazifistische, ökologische u. a. wertgebundene Positionen dagegen betonen die Notwendigkeit, die Ökonomie insgesamt so zu gestalten, dass sie der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung dient. Während die eine Sicht in der Ökonomie also eine – fast naturgesetzmäßige – „Eigengesetzlichkeit“ am Werk sieht, erkennt die andere Sichtweise die Ökonomie wesentlich als von Menschen gestaltetes Unternehmen.
Im Folgenden soll dieser Problematik exemplarisch in der Auseinandersetzung mit einem theologischen, einem philosophischen und einem soziologischen Verständnis der Ökonomie nachgegangen werden.
Martin Luther1 hat sich in drei programmatischen Schriften2 mit ökonomischen Fragen befasst und darüber hinaus in den Katechismen, in Predigten und in anderen Schriften zur Sache geäußert.
Anlass und Kontext dafür waren die sich in seiner Zeit vollziehenden wirtschaftlichen Veränderungen, z. B. sich ausbreitende Geldwirtschaft, sich entwickelnde frühkapitalistische Strukturen, sich einbürgernde Praxis von Zins und Wucher, die in der Summe die Emanzipation des wirtschaftlichen Prozesses von theologisch begründeten kirchlichen Vorgaben, d. h. von ethischer Orientierung bewirkten. Die Folgen dieser Veränderungen waren für Bauern, Handwerker und kleine Kaufleute fatal und führten viele in Elend und Not.
Karl Marx3: Der zeitgeschichtliche Kontext der ökonomischen Analysen des sich entfaltenden Kapitalismus von Marx ist die technische Revolution der Industrialisierung, die einerseits Innovation und Fortschritt, andererseits aber auch massenhafte Verelendung bewirkte. Der scharfe Blick darauf bestimmt seine Wahrnehmung der Situation. Den orientierenden Rahmen und…