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Ob er hält, ob er fällt?

Beobachtung von Stefanie Klenz
Berfins Bild zum Gedicht
Berfins Bild zum Gedicht , © Timm Christensen; Quelle: Georg Britting: Goldene Welt. In: Georg Britting – Sämtliche Werke. Gedichte, von Ingeborg Schuldt-Britting (Hrsg.), Georg Britting (Autor), Hans J. Schuldt (Bearbeitung), Band 6. Der unverstörte Kalender, Georg-Britting-Stiftung, ISBN 978-3981225464

aus: Die Grundschulzeitschrift Nr. 323 / 2020

Sprachsensibel unterrichten

  • Schuljahr 1-4
Thema Die Grundschulzeitschrift Autor/in Lis Schüler I Mechthild Dehn I Daniela Merklinger Veröffentlicht 29.09.2020 Aktualisiert 17.01.2023

Lis Schüler I Mechthild Dehn I Daniela Merklinger

Beobachtung von Stefanie Klenz

Mitte September trägt der Lehrer einer zweiten Klasse mit überwiegend mehrsprachig aufwachsenden Kindern das Gedicht „Die goldene Welt von Georg Britting vor. Nun möchte er mit den Kindern einzelne Wörter unter die Lupe nehmen. Dazu sollen sich die Kinder an ihre Plätze setzen. Beim Aufstehen sagt Berfin : „Ich hab gar nichts verstanden! Für mich klingt das wie eine Feststellung, nicht resigniert oder frustriert, vielmehr so, als kenne sie dieses Gefühl schon aus anderen Stunden.
Der Lehrer zeigt das Gedicht mit seinen vielen Wörtern an der Tafel und liest es mit den Kindern gemeinsam vor. Berfin spricht häufig Wörter mit. Der Lehrer liest es noch einmal und die Kinder wiederholen Zeile für Zeile auch Berfin. Im Anschluss fragt der Lehrer nach dem Wort „schläfrig. Die Kinder sagen, dass das „schlafen heiße und sowas, wenn man müde ist, wenn man abends seine Augen zumacht und schlafen will. Berfin beteiligt sich nicht an dem Gespräch. Sie wählt die Aufgabe, ein Bild zu dem Gedicht zu malen. Als ich zu ihr komme, hat sie ein Haus und dunkles Gras gemalt (Abb. ). Spuren des Gedichts erkenne ich auf den ersten Blick nicht. Ich lese ihr das Gedicht noch einmal vor und frage sie, welches Wort sie besonders oder interessant findet. Sie wählt „Ob er hält, ob er fällt? aus und umfährt es auf ihrem Blatt mit dem Finger. Ich frage sie, wie sie das versteht, und sie sagt: „Vielleicht fällt er runter oder er fällt nicht runter! Weil manchmal bei meiner Omas Haus gibt es so einen Apfelbaum und manchmal fällt er, manchmal nicht. Dann malt sie auf ihr Bild einen Apfelbaum. Als die Kinder in den Sitzkreis kommen sollen, ist sie eine der Letzten, die ihr Bild beendet.
Stefanie Klenz ist Hauptseminarleiterin am Landesinstitut für Lehrerbildung in Hamburg
Lesart
Lesart
Nicht-Verstehen und literarische Erfahrung
Das Gedicht von Britting ist viel zu schwer für Kinder zu Beginn von Klasse 2, gerade wenn sie mehrsprachig aufwachsen. Trifft das zu? Zunächst scheint es so. Als der Lehrer das Gedicht einmal vorgetragen hat, sagt Berfin vor sich hin „Ich hab gar nichts verstanden! Die Beobachterin erkennt an dem Ton, in dem Berfin das sagt, dass das ein vertrautes Gefühl für sie ist.
Das Gedicht wird den Kindern angetragen, damit sie wie bei „schläfrig

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