‚Künstliche Intelligenz‘ schreibt künstliche Geschichte

Ein Experiment zu OpenAIs ChatGPT im Geschichtsstudium

Welche Folgen hat das System für Schule und Studium? Es gilt, drei konkrete Einsatzfelder zu testen:  Das System soll eine Inhaltsangabe zu einem Buch verfassen, einen thesengeleiteten Essay formulieren und eine Hausarbeit auf dem Niveau eines frühen Proseminars erstellen.

Ein aufgeschlagenes Buch, aus dem Zeichnungen kommen: ein Flugzeug, eine Sonne, Wolken ein Haus.
© violetkaipa/stock.adobe.com

aus: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Nr. 5 / 6

Comics in Gedenkstätten

  • Praxiswissen
  • Schuljahr 1-13
Thema Forschen & Entdecken Autor/in Christian Götter Veröffentlicht 09.06.2023 Aktualisiert 13.06.2023

Christian Götter

Ein Experiment zu OpenAIs ChatGPT im Geschichtsstudium

‚Künstliche Intelligenz (‚KI), die Texte verfasst, ist derzeit in aller Munde.1 Der Grund dafür ist der Chatbot-Prototyp ChatGPT, der von der US-amerikanischen Firma OpenAI entwickelt und im November 2022 öffentlich zugänglich gemacht wurde.2 Der drei Jahre alte Vorgänger dieser Version des Generative Pre-trained Transformer wurde im Sommer 2022 prominenterweise mit diskutablem Erfolg auf seine Fähigkeit hin getestet, ein „academic paper on itself zu verfassen.3
Insofern ist es wenig verwunderlich, dass in dem breiten Interesse, das ChatGPT in kurzer Zeit auslöste,4 auch die Frage eine prominente Rolle spielt, welche Folgen das System für Schule und Studium haben kann.5 Immerhin scheint es dem Chatbot möglich zu sein, Aufsätze im Stil und auf dem Niveau bestimmter (vor allem auch fortgeschrittener) Klassenstufen zu verfassen, die auch für Lehrkräfte plausibel wirken können.6 Auch überzeugend wirkende wissenschaftliche Abstracts liegen dem Vernehmen nach im Bereich der Möglichkeiten des Systems.7
Die gegenwärtigen öffentlichen Reaktionen reichen vom Wunsch nach Verboten oder deren Umsetzung8 bis zur Integration in die Lehre.9 In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung haben sich im Dezember die Professorinnen Susanne Bach (Anglistik, Universität Kassel) und Doris Weßels (Wirtschaftsinformatik, Fachhochschule Kiel)10 mit dem System befasst und es im Kontext von anderen Hilfsmitteln, um ohne eigene fachliche Leistungen durch ein Studium zu kommen, als eine zugleich sehr gefragte und auch beängstigende Variante geschildert.11
Als zentrale Herausforderung wird vor allem die zentrale Fähigkeit des Systems gesehen, namentlich diejenige, rasch sinnvoll wirkende Texte produzieren zu können.12 Weniger im Fokus steht, dass im System vorhandene ethische Leitplanken13 dabei leicht umgangen werden können, während der Umstand, dass es nicht zwischen Fakt und Fiktion trennt,14 was seine ‚ehrliche Nützlichkeit begrenzt,15 allgemein im Vordergrund steht. Der Grund für letzteres dürfte, folgt man der medialen Diskussion, darin liegen, dass das System seine Aussagen auf Basis von Wahrscheinlichkeitsmodellen produziert, die plausibel scheinende Kombinationen von Wörtern hervorbringen.16
Doch zurück zur Plausibilität der von ChatGPT erzeugten Texte. Diese zu erkennen, scheint durchaus problematisch. Zwar gibt es bereits ‚KI-Systeme, die genau das leisten (sollen), allerdings ist die Entwicklungsgeschwindigkeit bei den Text-generierenden Systemen hoch, was die Haltbarkeitsdauer eines jeweiligen technischen Lösungsmittels durchaus in Frage stellt.17 Immerhin soll in den nächsten Monaten bereits GPT4 erscheinen.18 Auch ein Produkt aus dem Hause Alphabet dürfte in absehbarer Zeit verfügbar werden.19 Mit etwas Übung allerdings können durchaus auch wir Menschen unsere Fähigkeit verbessern, die algorithmisch erzeugten Texte zu erkennen.20
Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel dieses Aufsatzes, beispielhaft zu erproben, welche Möglichkeiten ChatGPT im Hinblick auf das Geschichtsstudium bietet und worauf Studierende wie auch Lehrende im Umgang mit ihm achten sollten. Da der Chatbot die Frage „[w]elche Einsatzmöglichkeiten siehst du für dich selbst im Geschichtsstudium mit einem recht umfangreichen Katalog an Möglichkeiten beantwortet „Ich kann als Werkzeug für die Recherche und Analyse historischer Texte und Daten verwendet werden. Ich kann auch dabei helfen, Informationen zu organisieren und zusammenzufassen sowie bei der Erstellung von Hausarbeiten und Präsentationen. Ich kann auch dazu beitragen, historische Zusammenhänge und Beziehungen zu visualisieren und zu verstehen.21 scheint es sinnvoll, drei konkrete Einsatzfelder zu testen: Das System soll eine Inhaltsangabe zu einem Buch verfassen, einen thesengeleiteten Essay formulieren und eine Hausarbeit auf dem Niveau eines frühen Proseminars erstellen.…
Friedrich+ Geschichte

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