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„Sie mussten nach links gehen“

Die Erinnerung an den Holocaust in Romanen für Kinder und Jugendliche

Monika Rox-Helmer stellt Romanen für Kinder und Jugendliche vor, die sich zur Behandlung der Erinnerung an den Holocaust im Geschichtsunterricht eignen.

Auf einem Tisch steht eine Schreibmaschine und daneben liegen ein Buch und eine Brille
© spiber.de/Shutterstock.com

aus: Geschichte lernen Nr. 200 / 2021

Erinnerungskulturen

  • Unterricht (45-90 Min)
  • Schuljahr 8-13
Thema Neue & Neueste Geschichte Autor/in Monika Rox-Helmer Veröffentlicht 16.03.2021 Aktualisiert 25.08.2022

Monika Rox-Helmer

Die Erinnerung an den Holocaust in Romanen für Kinder und Jugendliche

Historische Kinder- und Jugendliteratur ist immer geschichtserinnernde Literatur. Besonders deutlich wird die erinnerungskulturelle Intention allerdings in der zeitgeschichtlichen Literatur zum Holocaust. Das Bestreben, die Erfahrungen und Erinnerungen der letzten Überlebenden zu bewahren und ins kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft zu überführen, haben in den letzten Jahren den Jugendliteraturmarkt mit vielen literarischen Innovationen bereichert. Im Folgenden werden exemplarisch unterschiedliche Varianten vorgestellt, gegen das Vergessen zu arbeiten.
Die Funktion von Literatur als Erinnerungsmedium lässt sich bereits am Ende der Grundschule bzw. am Beginn der Sekundarstufe I unterrichtlich gut thematisieren. In der Kinderliteratur gibt es inzwischen einige Werke, die altersangemessen nicht nur historische Fakten zum Holocaust vermitteln, sondern Ansatzpunkte liefern, um das Erinnern an diese Zeit direkt zum Thema zu machen (s. Unterrichtstipp).
Aus der niederländischen Kinderliteratur stammen zwei Werke, die sich für eine erinnerungskulturelle Bearbeitung anbieten. Martine Letteries Kinder mit Stern erzählt mosaikhaft Geschichten aus dem Leben von fünf Kindern. Diese zeigen aus ganz verschiedenen Perspektiven, wie sich das Leben der Kinder durch Krieg verändert, wie sie die Deportationen und das Lager erleben. Drei abschließende Geschichten thematisieren auch die Nachkriegszeit. Die Geschichten, die mit jeweils drei bis vier Seiten auch zum Vorlesen geeignet sind, stehen zunächst unverbunden nebeneinander. Benni lernt der Leser beispielsweise kennen, als er zunächst nicht versteht, was Krieg bedeutet. Ruth begegnet er das erste Mal in der verzweifelten Situation, als ihre Familie versucht aus den Niederlanden zu fliehen, in die sie erst wenige Jahre zuvor aus Deutschland emigriert war. Mit Jules erlebt der Leser, dass er nicht mehr auf den Spielplatz darf, auf dem er immer gespielt hat. Rosa beobachtet der Leser, wie sie sich an ihrem sechsten Geburtstag freut, dass sie wie die Erwachsenen einen gelben Stern auf ihre Kleidung bekommt. Leo wird in den Roman eingeführt, als er in eine jüdische Schule wechseln muss.
So verschieden die Familiensituationen der Kinder im ersten Teil sind, verbindet sie ab dem zweiten Teil das Schicksal, der Deportation nicht zu entkommen. Sie alle kommen irgendwann ins Lager Westerbork, wo die Angst vor dem Weitertransport in eine mehr als ungewisse Zukunft in noch schrecklicheren Lagern in Polen den Alltag bestimmt. Dabei offenbart der kindlich naive Blick eindrücklich die Absurdität und Unmenschlichkeit der rassistischen Ausgrenzung. Gleichzeitig zeigt er auch, wie sich Menschen in einem Leben mit dem Wenigsten einrichten und sogar Glücksmomente neben Angst und Verlusten erleben. So überwältigt die Darstellung auch jüngere Leserinnen und Leser nicht. Das Grauen des Holocaust, obwohl immer erkennbar, wird nicht plastisch geschildert. Es reicht, dass heute selbst junge Schülerinnen und Schüler wissen, zu welchen Unmenschlichkeiten es in dieser Zeit kam. Für die Kinder, aus deren Perspektive erzählt wird, sind diese Geschehnisse noch völlig außerhalb ihrer Vorstellungskraft. So entsteht aus der Spannung des Noch-nicht-wissen-Könnens der kindlichen Figuren und dem heutigen Rückblick auf die Ereignisse eine didaktisch wertvolle Irritation. Diese bietet viele Anlässe für gemeinsame Gespräche über die in den Geschichten verarbeiteten Lebenserfahrungen von Kindern in der NS-Zeit sowie über das erinnerungskulturelle Anliegen des Romans.
Als Klassenlektüre eignet er sich ab den Abschlussjahrgängen der Grundschule. In heterogenen Lerngruppen können sich schwächere Leserinnen und Leser auf einzelne Geschichten oder Figuren konzentrieren, bevor sie im Klassengespräch ihre Leseerfahrungen in ein Gesamtbild einbringen. Stärkere Leserinnen und…
Friedrich+ Geschichte

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