Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 aus den Händen der antiparlamentarischen, nationalkonservativen Eliten um Franz von Papen das Amt des Reichskanzlers dargeboten wurde, war dies formal gesehen zunächst ein regulärer, demokratischer Prozess in der jungen Weimarer Republik. Auch aufgrund der konservativen und konstitutionellen „Einrahmung“ Hitlers durch z. B. demokratische Institutionen und gesellschaftliche Gruppen (darunter Parlamente, Parteien usw.) war für weite Teile der Bevölkerung keineswegs absehbar, wie drastisch sich die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen in Deutschland durch die sogenannte „Gleichschaltung“ verändern würden.
Sachanalyse
Der Prozess der „Gleichschaltung“ beschreibt dabei die von den Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1934 durchgeführten administrativen Maßnahmen, die die bisherigen pluralistischen gesellschaftlichen und politischen Strukturen durch eine einheitliche und strikt nationalsozialistisch orientierte Gesellschaft und Staatsform ersetzen sollten und somit die Basis für die radikale Entgrenzung der Gewalt im NS-Staat waren. Mit der Entmachtung der Länderparlamente durch die Gesetze zur Gleichschaltung der Länder (31. März und 7. April 1933), der Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai 1933 sowie dem Verbot aller politischen Parteien außer der NSDAP durch das Gesetz gegen die Neubildung von Parteien vom 14. Juli 1933 seien hier nur einige der zentralen Daten der „Gleichschaltung“ genannt. Dabei wurde der ursprünglich naturwissenschaftliche Begriff, der die Bewegung von Bauteilen in die gleiche Richtung umschreibt, durch Reichsjustizminister Franz Gürtner im „Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich“ erstmals in den politischen Kontext übertragen (Schmitz-Berning 2007, S. 277).
Dass der Begriff anschließend enorme Präsenz im öffentlichen Diskurs besaß, belegt der Zeitgenosse und Romanist Victor Klemperer in seiner Analyse zur Sprache des Nationalsozialismus: „Ihre charakteristischste, wahrscheinlich auch frühzeitigste Schöpfung auf diesem Feld heißt ‚gleichschalten‘“ (Klemperer 2010, S. 176). Bereits seit der frühen Nachkriegszeit (Eitz/Stötzel 2007, S. 272 – 273) findet sich der Terminus bis heute regelmäßig im öffentlichen Diskurs und sorgt wegen seiner teilweise unbedachten oder absichtlichen polemischen Benutzung für öffentliche Empörung. Dies belegen die Fälle so unterschiedlicher Personen wie des Literaturnobelpreisträgers Günther Grass und des Schlagermusikers Michael Wendler. Während Grass sich nach der Veröffentlichung eines israelkritischen Gedichts im Jahre 2012 einer Kampagne durch die von „einer gewisse[n] Gleichschaltung der Meinung“ (Spiegel Online 05.04.2012) geprägte deutsche Medienlandschaft ausgesetzt sah, kritisierte Wendler im Oktober 2020 die Kündigung der Zusammenarbeit mit ihm durch „gleichgeschaltet[e]“ (Nordkurier 08.10.2020) Fernsehsender, nachdem er verschwörungsideologische Aussagen zur Corona-Pandemie veröffentlicht hatte.
Didaktische Überlegungen
Die Sprache strukturiert das Denken – diese fundamentale Erkenntnis manifestiert sich auch in Wittgensteins berühmtem Aphorismus „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“. In diesem Sinne muss den bis heute zahlreichen nationalsozialistischen Wortschöpfungen und -umdeutungen trotz der Ächtung vieler NS-Begriffe und der dahinterstehenden Konzepte im öffentlichen Sprachgebrauch (z. B. Rassenschande oder Arier) eine enorme Wirkmächtigkeit im gegenwärtigen Sprechen und Denken attestiert werden.…