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Erprobte Praxis

Erfahrungen mit Inklusion aus der Offenen Schule Waldau Kassel

Die Offene Schule Waldau in Kassel konnte unter den Bedingungen des damals sogenannten Gemeinsamen Unterrichts wirksame inklusive Strukturen aufbauen. Dieses Konzept erfährt durch die aktuell geltenden Rahmenbedingungen für Inklusion erhebliche Einschränkungen. Zur Umsetzung der UN-Menschenrechtskonvention bedarf es des Einsatzes umfangreicher weiterer Ressourcen.

Illustration: Ulrich Deppe unter Verwendung von © iStock.com / imoooun

aus: Schule leiten Nr. 16 / 2019

Eine für alle – Inklusive Schule

  • Schuljahr 1-13
Thema Unterrichts- & Schulentwicklung, Unterrichts- & Schulentwicklung, Organisation & Gestaltung Autor/in Gerhard Vater Veröffentlicht 20.05.2019 Aktualisiert 25.08.2022

Gerhard Vater

Erfahrungen mit Inklusion aus der Offenen Schule Waldau Kassel

Die Offene Schule Waldau begreift sich seit ihrer Gründung im Jahre 1983 als Schule für alle Kinder. Entstanden aus einer Gesamtschule im Brennpunktstadtteil, mit deren Alltag alle Beteiligten unzufrieden waren, erfand sie sich neu als Offene Schule, deren Prinzipien auf dem Vorrang der pädagogisch gestalteten Beziehung, der systematischen Erziehung zu Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, der räumlichen und personellen Überschaubarkeit und der konsequenten Teamstruktur beruhen. Die kulturelle, religiöse und soziale Vielfalt der Schülerschaft macht Heterogenität zum Normalfall. Individualisierung ist das daraus gewonnene Prinzip und gleichzeitig die täglich zu bewältigende Aufgabe.
Schule für alle
Ein festes Team von zunächst zwölf, später 13 Lehrkräften begleitet die sechs Klassen eines Jahrgangs vom Beginn der Klasse 5 bis zur Entlassung nach dem zehnten Schuljahr. Beginnend mit einem Hausbesuch in allen Familien, werden Eltern immer wieder in die Verständigung über die Persönlichkeits- und Lernentwicklung einbezogen. Morgenkreis und wöchentlicher Klassenrat bieten Raum für Austausch, Verständigung und das Einüben demokratischer Kultur. In einem eigens geschaffenen Fach, dem Freien Lernen, bearbeiten Schülerinnen und Schüler zunehmend selbst gewählte Themen, die sie systematisch präsentieren und dafür Feedbacks der Lehrkräfte und Mitschüler bekommen. Die Jahrgänge leben und arbeiten in den für sie reservierten Gebäudeteilen. Die Lehrkräfte des Teams, die jeweils zu zweit die Leitung einer Klasse innehaben, gestalten in Abstimmung mit den anderen Teams und der Schulleitung weitgehend autonom ihren pädagogischen Alltag. Sie treffen sich alle zwei Wochen zu einer fest verankerten Teamsitzung in ihrem Teamraum.
Damit sind Strukturen gelegt, in denen der Blick auf den Einzelnen leichter fällt, in denen die Zusammenarbeit in einem überschaubaren Kreis von Kooperationspartnern zum permanenten Austausch führt und in denen individuelle Förderung wirkungsvoll stattfindet (vgl. Moritz & Vater 2014, Prengel 2018).
Nach zehn Jahren setzte sich die Erkenntnis, dass eine Schule für alle Schüler nicht diejenigen mit besonderem Förderbedarf ausschließen darf, durch und wurde in die Tat umgesetzt. 1993 wurden die ersten Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf und mit ihnen die erste Förderpädagogin in das Kollegium aufgenommen. Unter den Bedingungen des Gemeinsamen Unterrichts wurden den Schulen für jedes Kind mit sonderpädagogischen Förderbedarf sechs Wochenstunden zur Verfügung gestellt. Zudem war die Klassenobergrenze begrenzt auf zunächst 20, später 23 Schülerinnen und Schülern. Von da ab wurden jährlich drei bis vier Kinder mit Förderbedarf aufgenommen und die jeweils dazukommende Förderlehrkraft gehörte zum Jahrgangsteam und nahm gemeinsam mit den beiden Regellehrkräften die Klassenleitung in der „I-Klasse wahr. Die Förderlehrkräfte sind seitdem eingebunden in den Unterrichtsalltag und werden von den Schülerinnen und Schülern als eine der drei, für alle Kinder zuständigen Lehrerinnen wahrgenommen. Im überwiegenden Teil des Unterrichts sind zwei Lehrkräfte anwesend, was zahlreiche Varianten der zeitweisen Differenzierung in Kleingruppen eröffnet. Kinder mit besonderem Unterstützungsbedarf in den anderen Klassen gehören selbstverständlich auch zum gemeinsamen Aufgabengebiet.
In dieser Struktur ergänzen sich die besondere Expertise der Förderlehrkräfte im Hinblick auf Diagnostik und Beratung mit der fachdidaktischen Kompetenz der Regellehrkräfte. Beides wirkt im Alltag ineinander. Die Lehrkräfte definieren sich nicht in ihrer Zuständigkeit für einzelne Kinder, geschweige denn im Vorliegen bzw. Fehlen einer…
Friedrich+ Schulleitung

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