Ein schwerer Weg

Wenn Menschen mit Demenz eine Palliativversorgung benötigen

Es war ein toller Herbsttag 2015: Meine Schwiegereltern und wir wanderten durch die Fränkische Alb, und wir lachten schallend, als Franz merkte, dass er zwei verschiedene Socken trug. So begann es.

Besuch in einem Altersheim
© ESB Professional/Shutterstock.com

aus: pflegen Demenz Nr. 60 / 2021

Demenzsensibilität

  • Praxis
  • Schuljahr
Thema Angehörige Autor/in Sabine Distler Veröffentlicht 20.09.2021 Aktualisiert 25.08.2022

Sabine Distler

Wenn Menschen mit Demenz eine Palliativversorgung benötigen

Es war ein toller Herbsttag 2015: Meine Schwiegereltern und wir wanderten durch die Fränkische Alb, mein Mann Andreas fotografierte unsere Wandergruppe, und wir lachten alle schallend, als Franz plötzlich merkte, dass er zwei verschiedene Socken trug. Niemand dachte damals an Demenz! Franz selbst hatte vielleicht eine Vorahnung, denn wir sprachen in dieser Zeit öfters von Sendungen, Artikeln und Geschichten über Demenz. Er hatte große Angst davor, beschäftigte sich mit vielen Dingen und überwachte sich selbst, dass ihm keine Fehler passieren. Aber keiner rechnete damit, wie es tatsächlich weitergehen würde.

Ich leitete zu dieser Zeit mehrere Altenheime und engagierte mich für neue Konzepte und einen respektvollen Umgang. Franz erkundigte sich immer häufiger nach Messmethoden, Therapien und wurde wütend darüber, dass man älteren Menschen diese Diagnose mitteilen würde: „Damit kann man doch ganz schwer leben. Wir sprachen auch über Lebensträume, und er sagte damals: „Mein Traum wäre das Fliegen, das habe ich in diesen fantastischen 79 Jahren noch nicht geschafft. Es war für uns nicht überraschend, dass er auf unsere Frage, ob er uns nach Hongkong begleiten würde, sofort mit „Ja antwortete.
Ohne seine Frau, dafür mit der 16-jährigen Enkelin, trafen wir uns im Frankfurter Flughafen, und es war der Moment, in dem wir wussten: Es ist Demenz! Ich kann bis heute nicht beschreiben, was genau dieses Gefühl auslöste, es waren wohl die Augen, der Ausdruck der Verlorenheit in dieser aufregenden Situation. In den folgenden Tagen wurde noch klarer, dass Franz bereits viel Orientierung durch Begleitung brauchte. Trotzdem spürten wir, dass er jede Sekunde wie in einem Brennglas aufnahm: der Hin- und Rückflug, das Kennenlernen des fremden Erdteils und die neue Kultur. Noch Jahre später waren diese Reise und die Eindrücke bei ihm abgespeichert.
Wissbegierde und Eifer
Obwohl Franz damals spürte, dass etwas mit ihm nicht stimmte, blieb er 2016 beharrlich im Lernmodus. Sein Lieblingstool war „Google, er war begeistert davon, wie seine Fragen Antworten fanden. Er lernte sogar, mit Facebook umzugehen und war fasziniert von der Möglichkeit, uns im Urlaub in Echtzeit zu begleiten. Franz hatte ein eigenes Zimmer in seinem Haus, das seine Modelleisenbahn und sein Computer voll ausfüllten. Beides waren Beschäftigungen, die er mit Wissbegierde und Eifer vorantrieb. Mit der Modelleisenbahn war es so eine Sache, er baute schon etliche Jahre daran, und wir hatten lange das Gefühl, dass sein Ziel der Weg war. Auch das änderte sich in dieser Zeit, er hatte als Ziel die Vollendung im Kopf, und mein Mann musste immer häufiger seine Fehler korrigieren, damit es wieder voranging.
Nach und nach konnte er seine Aufgaben rund um den Haushalt nicht mehr ausführen, er vergaß sie, konnte sich nicht mehr erinnern, und meine Schwiegermutter übernahm sie in einer ruhigen Gelassenheit und wertschätzender Akzeptanz. Bei einem Gespräch über seine Vergesslichkeit gab ich Franz mal einen Zettel mit der Empfehlung, seinen Hausarzt auf einen „Acetylcholinerasehemmer anzusprechen. „Nein, das brauchen Sie nicht Sie sind doch nicht dement, meinte der Arzt, und Franz war mehr als zufrieden. Zum 80. Geburtstag entführten wir Franz mit allen Kindern und Enkelkindern nach Hamburg ins Miniaturwunderland. Nun wurde allen bei diesem Ausflug klar, dass Franz sich verändert hatte und in einer fremden Umgebung unsicher wurde.
Die Diagnose
Es war einem Bandscheibenvorfall geschuldet, dass er in…
pflegen+ Demenz & Palliativ

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