Lena bearbeitet ihre Hausaufgabe: Sie verlängert Wörter, um zur richtigen Schreibung zu gelangen und schreibt so korrekt „Hand – Hände“ in die Lücke. Am nächsten Tag verfasst sie einen Text, in dem häufig das Wort „Hund“ vorkommt, und schreibt dieses überwiegend mit t > am Ende. Der Transfer ihres Rechtschreibwissens aus der Hausaufgabe zum Verfassen eines eigenen Textes gelingt ihr hier nicht. Um solche Transferleistungen als Lehrkraft unterstützen zu können, muss man zunächst verstehen, welche kognitiven Prozesse für das richtige Schreiben nötig sind. Wie funktioniert also Rechtschreiben? Scheerer-Neumann (2004) zeigt mit dem Zwei-Wege-Modell auf, wie sich der Vorgang des Rechtschreibens vollzieht (s. Abb. 1 ).
Der indirekte Weg
Beim indirekten Weg konstruieren die Schreiberinnen und Schreiber das jeweilige Wort unter Rückgriff auf ihre Rechtschreiberfahrungen, also ihr Wissen um Rechtschreibregeln und -strategien. Bei diesem Weg wird das Rechtschreibwissen reaktiviert, das insbesondere im Unterricht vermittelt wurde. Deshalb ist es wichtig, dass Lernende einen Einblick in die Systematik der deutschen Orthografie erhalten. Auf dieser Grundlage machen sie die Erfahrung, dass die richtige Schreibung mehrheitlich nicht willkürlich ist, sondern Strukturen folgt – und zwar mit dem Ziel, dass das Geschriebene besser lesbar ist. Insbesondere Schülerinnen und Schüler mit Schwierigkeiten im Bereich der Rechtschreibung benötigen einen hohen Input an Rechtschreibwissen durch den Unterricht. Somit sind Rechtschreibstrategien wichtig und sollten sorgfältig eingeführt und intensiv eingeübt werden, denn sie stellen Denkhandlungen dar, „denen die Kinder beim Schreiben folgen“ (Spiegel 2018, S. 26).
Der direkte Weg
Beim sogenannten direkten Weg des Rechtschreibens wird mental abgespeichertes orthografisches Wissen über ein Wort abgerufen. Es handelt sich dabei in der Regel um einen automatischen Prozess: „Die wortspezifischen Graphemfolgen sind so eng mit dem phonologischen und orthografischen Wissen verknüpft, dass ein explizites Nachdenken über die Schreibung nicht erforderlich ist“ (Fornol 2019, S. 2). Geübte Schreiberinnen und Schreiber greifen daher nur in seltenen Fällen bewusst auf ihr Wissen um Rechtschreibregeln und -strategien zurück (Scheerer-Neumann 2004) – ihre Verwendung ist vielmehr so automatisiert, dass vielen Erwachsenen die Begründung für die Schreibung eines Wortes schwerfällt. Damit ist das Ziel für den Rechtschreibunterricht eindeutig: Am Ende der Schulzeit sollten Schülerinnen und Schüler Wörter korrekt schreiben können – mehrheitlich ohne bewusst über die Schreibung nachdenken zu müssen, da sie ihr Rechtschreibwissen automatisiert verwenden können.
Wortebene
Für die Förderung des indirekten Weges des Rechtschreibens ist es also entscheidend, dass im Unterricht Rechtschreibregeln und -strategien eingeführt werden, um orthografisches Wissen auf- und auszubauen. Grundsätzlich beginnt diese Erarbeitung auf der Wortebene. So lassen sich zum Beispiel die Strategien des Ableitens und des Verlängerns am…