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Armut als philosophisches Problem

Definition, Ursachen, Folgen und Maßnahmen

Der Beitrag erläutert den Unterschied zwischen absoluter und relativer Armut. Er beschreibt, welche Indikatoren zu ihrer Bestimmung herangezogen werden können, beschreibt die Folgen der Armut und die Anfragen an Entwicklungs- und Sozialpolitik.

Eine Mahlzeit am Tag ist viele Menschen nicht selbstverständlich.
Eine Mahlzeit am Tag ist viele Menschen nicht selbstverständlich. , © addkm/Shutterstock.com

aus: Ethik und Unterricht Nr. 1 / 2023

Arm und Reich

  • Praxiswissen
  • Schuljahr 5-13
Thema Welt & Gesellschaft, Ich & die Anderen Autor/in Gottfried Schweiger Veröffentlicht 14.03.2023 Aktualisiert 20.03.2023

Gottfried Schweiger

Definition, Ursachen, Folgen und Maßnahmen

Der Beitrag erläutert den Unterschied zwischen absoluter und relativer Armut. Er beschreibt, welche Indikatoren zu ihrer Bestimmung herangezogen werden können, beschreibt die Folgen der Armut und die Anfragen an Entwicklungs- und Sozialpolitik.

Einleitung
Weltweit leben Hunderte Millionen Menschen in extremer Armut. Sie leiden unter einem Mangel an Nahrung, sauberem Trinkwasser, Energie, Wohnraum und medizinischer Versorgung. Sowohl die COVID-19-Pandemie als auch die Versorgungskrise im Zuge des Kriegs in der Ukraine haben die Situation für Millionen Menschen, insbesondere die Ärmsten der Armen, drastisch verschlechtert. Wer jedoch glaubt, dass Armut nur ein Problem im sogenannten globalen Süden dieser Erde sei und hierzulande in Europa oder in Nordamerika nicht vorkomme, der irrt. In der Europäischen Union leben nach offizieller Statistik rund 20 Prozent der Bevölkerung in relativer Armut. Armut ist also sowohl global als auch lokal ein drängendes soziales Problem. Aber wieso interessieren sich auch Philosophie und Ethik für Armut?1 Handelt es sich dabei nicht vornehmlich um ein Phänomen, welches sozialwissenschaftlich erforscht und dessen Ursachen durch Ökonomie und Soziologie aufgeklärt werden sollten? Auf der anderen Seite rufen Armut und seine Folgen, die mediale Berichterstattung über Hunger oder Obdachlosigkeit und die Aufrufe von Hilfsorganisationen zu Spenden moralische Intuitionen hervor. Viele Menschen sind der Überzeugung, dass Armut ein moralisches Übel ist, welches beseitigt werden soll, und dass Menschen in Armut Hilfe benötigen und diese Hilfe auch erhalten sollten. Die Bekämpfung von Armut ist immer wieder Thema der Politik, sei es der Entwicklungshilfe oder der Sozialpolitik. Nicht alle Menschen haben jedoch dieselben moralischen Intuitionen, manche sehen Armut als verdient an, als Schuld der Armen, die sie selbst zu verantworten haben, und andere halten Armutsbekämpfung sogar für schädlich und falsch. Das Elend der Armut ist immer erst der Ausgangspunkt ethischer Reflexion, die sich bemüht, zu gut begründeten Aussagen darüber zu gelangen, ob und warum Armut ein moralisches Übel darstellt und welche ethischen Schlüsse daraus zu ziehen sind. Dann stellt sich die Frage nach der moralischen Verantwortung, Menschen in Armut zu helfen.
In diesem Essay verfolge ich drei miteinander verwobene Fragen, die für diese ethische Reflexion wichtig sind. Im ersten Teil geht es um die Frage, was Armut überhaupt ist und wie sie gemessen wird. Schließlich werden mit Armut, auf den ersten Blick zumindest, so unterschiedliche Lebenslagen wie jene eines hungernden Kindes in Indien und jene eines Kindes, das in Deutschland lebt und zwar nicht hungert, aber zu einer Tafel gehen muss, bezeichnet. Wenn man nicht weiß, was Armut ist, kann man aber auch nicht darüber nachdenken, was moralisch schlecht an ihr ist. Im zweiten Teil dann wird die These entfaltet, dass Armut ungerecht ist. Das bedeutet, dass Armut die moralischen Ansprüche, die alle Menschen teilen, verletzt. Im dritten und letzten Abschnitt wird dann die Frage gestellt, von wem Menschen in Armut berechtigterweise erwarten können, dass sie ihnen in ihrer Notlage helfen. Es geht hier also um die moralischen Rechte von armen Menschen und den korrespondierenden moralischen Pflichten anderer Menschen, insbesondere aber auch von Institutionen und dem Staat. Der Fokus meiner Überlegungen liegt auf relativer Armut, wie sie in entwickelten Wohlfahrtsstaaten wie Deutschland oder Österreich zu finden ist. Immer wieder werde ich aber auch auf die ethische Relevanz globaler Armut eingehen.
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Friedrich+ Ethik & Philosophie

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