Bei einem Blick in die Kernlehrpläne Mathematik wird unmittelbar klar, dass ein wichtiger Auftrag des Mathematikunterrichts darin besteht, es Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen, Mathematik in authentischen Anwendungssituationen zu erfahren. Zwar gibt es bereits vielfältige Ansätze zur Einbettung von Anwendungskontexten in den Unterricht, leider offenbaren sich diese aber häufig als in außermathematische Situationen eingekleidete Standardrechentechniken oder es werden zu viele verschiedene Anwendungsbezüge eröffnet, die dann nicht konsequent zu Ende ausgeführt werden. Einen Ausweg aus dieser mäßigen Situation können beispielsweise fächerverbindende Unterrichtssettings bieten, in denen eine relevante Fragestellung aus der Perspektive zweier Fächer betrachtet wird. Auch in der Forschung der MINT-Didaktiken gewinnt der Nutzen interdisziplinären Arbeitens zunehmend an Bedeutung. Die Fächer Mathematik und Physik bieten sich hierfür besonders an, da sie schon aufgrund ihrer Geschichte sehr eng miteinander verwoben sind. Einerseits sind in der Physik spätestens seit Galilei mathematische Deduktionen im Prozess der Erkenntnisgewinnung unerlässlich. Andererseits hat sich die Mathematik im Laufe der Zeit oft aus Ansätzen der Physik heraus weiterentwickelt. Durch empirische Ausrichtung schulischer Mathematik, finden auch zunehmend die Methoden der Naturwissenschaft (wie z. B. das Experimentieren) Einzug im Mathematikunterricht.
Obgleich der Existenz zahlreicher offenliegender Berührpunkte zwischen Mathematik und Physik, birgt fächerverbindender Unterricht manche Tücke hinsichtlich der Grundlegung, der Konzeption und der Umsetzung und wird somit zur Herausforderung für den einzelnen Fachlehrer.
Im vorliegenden Heft soll zum einen Hintergrundwissen für Lehrer bereitgestellt werden, die sich dieser Herausforderung stellen möchten. Dazu zählen theoretische Grundlagen zu fächerverbindendem Unterricht aus Sicht beider Fachdidaktiken (Witzke, Struve, Krause), sowie die didaktische Aufbereitung der historisch erwachsenen Verbindung beider (Struve und Witzke sowie Kraus und Militschenko). Implikationen für den Unterricht werden in den Artikeln von Karam und Zell aufgezeigt. In zwei weiteren Artikeln werden exemplarische Themen für die Unterrichtspraxis aufgezeigt (Stoffels sowie Krause und Tran).