Ralf Kirschke und Frieder Spaeth
Von den Christenverfolgungen Diocletians bis zur christlichen Staatskirche Theodosius‘
Die Konstantinische Wende ist für die Geschichte des Christentums ein herausragendes Ereignis, in seiner Bedeutung etwa der Reformationszeit vergleichbar. Betrachtet man Kirchengeschichte unter dem Aspekt der biblischen Wirkungsgeschichte, so geht es dabei auch um eine kritische Betrachtung, inwieweit der biblische Auftrag an die christliche Kirche in den neu geschaffenen Strukturen gelungen bzw. verfehlt wurde. Die Erzählung spannt einen Bogen von den diocletianischen Christenverfolgungen über die Privilegierung der Kirche nach der konstantinischen Wende bis hin zur Konsolidierung in der theodosianischen Staatskirche.
1. Theologische Begründung: Warum erzähle ich, was ich erzähle?
Die Entwicklung des Christentums zwischen den Verfolgungen unter Diocletian bis Theodosius ist in jedem Falle spektakulär und spannungsreich. Seine Institutionalisierung und sein Verhältnis zu den staatlichen Institutionen und Mächten sind von starken Ambivalenzen geprägt. Das frühe Christentum in der Spätantike erlebt diese Ambivalenz gegenüber dem Staat in einem Wechsel von Eigenständigkeit, gegenseitiger Toleranz und Feindschaft. Diese Wechselseitigkeit wird das Verhältnis von Kirche und Staat auf die Zukunft hin – bis heute – prägen.
2. Didaktische Entscheidungen: Wie und mit welchem Ziel erzähle ich?
Der Erzählbogen wurde als Triptychon konzipiert: Die Situation der Christen in der Verfolgung durch Diocletian. Die Konstantinische Wende. Die neugewonnene Bedeutung unter Theodosius.
a)Christenverfolgung unter Diocletian (284 – 305)
Ein Schreiber berichtet am Hof der kaiserlichen Residenz in Nikomedia von den religiösen Auseinandersetzungen zwischen der römischen Kultpraxis (den römischen Göttern, vor allem aber dem Kaiser als Gott zu opfern) und den Christen, die diese Praxis ablehnten – ein Hochverrat, der mit dem Tode zu bestrafen sei. Der geschichtliche Hintergrund greift die Situation des kaiserlichen Edikts unter Diocletian von 303/304 auf, der mit großem Eifer die kultische Verehrung der (alten) römischen Götter wiederherstellen wollte. Die Christen befanden sich in einem Zwiespalt: einerseits wollten sie an der christlichen Lehre festhalten ohne den Glauben zu verraten, andererseits aber auch als loyale Bürger der römischen Reiches dastehen.
Für die SuS soll die existenziell bedrohte aber auch hoffnungsvolle Situation der christlichen Gemeinden samt den dahinterstehenden Gründen herausgearbeitet werden: Die Krise der sog. heidnischen Kulte, die traditionelle Rolle der religiösen Kulte als Herrschaftslegitimation und Erfolgsorakel, die von den Christen verachtete Toleranz gegenüber der Vielfalt religiöser Kulte; die Attraktivität des Christentums als gesellschaftliche Rand- bzw. Unterschichtbewegung: sittliche Strenge, moralischer Lebenswandel, fürsorgliche Haltung gegenüber Fremden oder Kranken und die Leidensbereitschaft für die christliche Überzeugung.
b) Konstantinische Wende –Konstantin (306 – 337) und die staatliche Anerkennung des christlichen Glaubens
Die Tatsache, dass die Verfolgung der Christen in der Vergangenheit keine abschreckende, vielleicht sogar stärkende Wirkung auf den christlichen Glauben hatte, führte bei Konstantin zu der (wohl vor allem politisch motivierten) revolutionären Wende, nicht mehr gegen, sondern mit dem Christentum seine Macht zu sichern – in dieser Zeit lebten im röm. Reich ca. 10 Millionen Christen, etwa ein Fünftel der Gesamtbevölkerung des röm. Reiches. Fest steht, dass sich Kaiser Konstantin nach dem Mailänder Edikt von 313 n. Chr., nicht nur als Beschützer der Christen, sondern auch als Herr der Kirche verstanden hat. Die Kirche sollte in den Dienst des römischen Staates treten. Kaiser Konstantin gewährt (…) „sowohl den Christen als auch allen Menschen freie Vollmacht, ihre Religion zu wählen“, also Glaubensfreiheit allen Religionen...
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- Thema: Kirche & Kirchen, Religionen & Weltanschauungen
- Autor/in: Ralf Kirschke, Frieder Spaeth