Sören-Kristian Berger
Forschendes Lernen in Zeiten der Schulschließung wegen Corona
Im März haben die Länder die Schulen geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Innerhalb weniger Tage musste der Unterricht zwangsweise auf digitales Lernen umgestellt werden. Wie kann Geographieunterricht nun aussehen? Für die Förderung eines lernerzentrierten Online-Geographieunterrichts stellen wir Ihnen eine Auswahl an Apps und Webanwendungen vor.

Online Unterricht in Geographie wegen Corona: Das Virus verändert den Schulalltag
Innerhalb weniger Tage mussten die Schulen in Deutschland zwangsweise ihren Unterricht verändern. Digitales Lernen, Homeschooling oder auch die längst überfällige „Digitalisierung des Lernens“ sind einige der verwendeten Begriffe zur Beschreibung der neuen Lernsituation. Die Erfahrungen der ersten Wochen sind jedoch unterschiedlich. Die technische Infrastruktur der jeweiligen Schulen, das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler im Umgang mit digitalen Medien, die Erfahrungen der Lehrkräfte, aber auch die technische Ausstattung zu Hause sind äußerst heterogen und erfordern ein Umdenken.
In einer ersten Schockstarre wurden vielerorts sicherlich Arbeitsblätter (digital) verschickt. Unterrichtsreihen mit dem Schulbuch wurden weitergeführt oder sonstige Arbeitsaufträge verteilt. Dies ist vor dem Hintergrund der technischen wie auch emotionalen Herausforderungen der aktuellen Krise nachvollziehbar.
Doch die Weiterführung bisher etablierter Arbeitsabläufe und Handlungsmuster aus dem Präsenzunterricht sind nicht einfach auf die häusliche Lernsituation zu übertragen. Dies wird durch zahlreiche Beschlüsse und Erlasse der einzelnen Bundesländer noch verstärkt. Aus denen geht hervor, dass die aktuelle Phase des Online-Unterrichts, auch des Online-Geographieunterrichts, nicht in die Bewertung mit einfließen solle. Hierbei sind natürlich die Aussagen der jeweiligen Ministerien des eigenen Bundeslandes zu berücksichtigen.
Die aktuelle Phase bietet also aus unterschiedlichen Gründen eine Chance, das eigene Lernverständnis zu hinterfragen und Neues zu wagen.
Auf dem Weg zu einem digitalen Zeitalter?
Lisa Rosa (2017) ist in der Unterrichtsentwicklung im Referat Gesellschaft des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung Hamburg tätig. Sie beschäftigt sich dort seit Langem mit dem Einsatz digitaler Medien und Bildung, Lerntheorie und Projektdidaktik. Sie spricht von einem veränderten epochalen Lernverständnis vom Buchdruckzeitalter (lehrerzentriert, belehrend, systematisch, objektivistisch, dekontextualisiert, allein, festliegendes Ergebnis, vorgegebene Bedeutung) hin zum digitalen Zeitalter (lernerzentriert, erforschend, problemorientiert, perspektivisch, re-kontextualisiert, im Austausch, ergebnisoffen, persönlicher Sinn). Auch wenn dieser Paradigmenwechsel durch die aktuelle Krisensituation sicherlich an vielen Stellen erzwungen ist, hat er doch einen entscheidenden Einfluss auf die Lehrerrolle, das Lehrerhandeln und das allgemeine Lernverständnis.
Förderung eines lernerzentrierten Online-Geographieunterrichts
Durch das aktuelle Setting ist die oft kritisierte Lehrerzentriertheit und die belehrende, systematische „Unterrichtung“ von Schülerinnen und Schülern schlichtweg nicht mehr möglich. Daher bietet sich eine ideale Gelegenheit, um das forschende, problemorientierte Lernen zu fördern. Die Lerner und ihre Interessen können in den Mittelpunkt gestellt werden.
Vor dem Hintergrund des Lernverständnisses im (aktuellen) digitalen Zeitalter bietet sich eine projektartige Vorgehensweise an. Die Schülerinnen und Schüler sollten dazu befähigt werden, eigenen Interessen nachzugehen, kollaborativ im Austausch mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern problemorientiert an einem selbst gewählten Thema zu arbeiten. Dabei kann es sehr interessant sein, die Ergebnisoffenheit und damit Kreativität der Lernenden an dieser Stelle bewusst zu fördern und vielfältige digitale Lernprodukte zu ermöglichen.
Nachfolgend sollen einige potenzielle digitale Angebote, Informationsquellen, Tools, Präsentationsmöglichkeiten und mögliche Einsatzgebiete vorgestellt werden.
Google Earth Webversion
In der Webversion ist keine Installation notwendig. Es wird jedoch Google Chrome als Browser vorausgesetzt. Es gibt ständig aktualisierte Satellitenbilder in 2D- und 3D-Ansicht. Im Voyager Modus können zusätzlich externe Informationen zu bestimmten Orten z. B. über Wikipedia angezeigt werden.
Über die Funktion „Projekte“ können eigene Punkte auf dem Globus markiert und „angeflogen“ werden. Dabei ist es auch möglich, diese Punkte mit eigenen Informationstexten zu versehen und die Präsentation anschließend mit anderen zu teilen.
Google Earth VR Tour Creator
Auf Grundlage von Google Streetview eigene Virtual Reality Touren und virtuelle Exkursionen planen und durchführen.
Zu Google Earth VR Tour Creator
Google Expeditions
Eine Virtual- und Augmented-Reality-App für virtuelle Exkursionen und 360° Ansichten zu verschiedenen Themen.
Google Earth Timelaps
Ein zeitlicher Schnelldurchlauf durch Satellitenfotos der letzten 30 Jahre macht raum-zeitliche Veränderungen deutlich.
Landsat Lens 2
Satellitenbildviewer für unterschiedlich alte Satelllitenbilder.
Nasa Earth Observatory
Vielfältiges Angebot an digitalen Karten und kommentierten Satellitenbildern.
VentuSky
Interaktive Wetterkarte in Echtzeit: Es lassen sich unterschiedliche Klimaelemente einzeln darstellen und untersuchen.
Flightradar24.com
Den globalen Luftfahrtverkehr beobachten und auswerten. Gerade in Zeiten der Coronakrise ist dies sehr spannend.
Shipmap.org / Marinetraffic.com
Interaktive Karten, die die globale Schifffahrt abbilden.
Citizen Science Projekte sind wissenschaftliche Vorhaben, an denen interessierte Laien – in diesem Fall Schülerinnen und Schüler – mitarbeiten können, indem sie Beobachtungen und Daten melden. Dies kann auch einen Bezug zum Geographieunterricht haben, z. B.:
- Picture Pile (Bildaufnahmen online sortieren und damit zur Lösung globaler Umweltprobleme beitragen)
- Das Geo-Wiki Projekt (Erstellung eines Lexikons der Erdoberfläche, Auswerten von Bodendaten, Einsenden eigener Fotos, Sortierung von Satellitenfotos)
CoastMap App
Eine digitale Erkundung der Nordsee, der Nutzungskonflikte und Stoffkreisläufe.
Zum Beitrag CoastMap App mit einem Arbeitsblatt zum kostenlosen Download
WWF Free Rivers
Augmented-Reality-App zur Gestaltung einer eigenen Landschaft und Beobachtung der jeweiligen Auswirkungen auf den Flusslauf.
Naturblick App
Mit der App des Naturkundemuseums Berlin lassen sich die Stadtnatur erkunden und Bestimmungsübungen von Pflanzen per Foto machen. Bitte beachten Sie die allgemeinen Ausgehbeschränkungen bevor Sie die App mit Schülerinnen und Schülern aktuell nutzen.
Webanwendungen zur kollaborativen Gestaltung von Erklärvideos, Infografiken und Social-Media-Grafiken können ideal zur Erstellung eines digitalen Produkts verwendet werden, z. B.
WebGeo Uni Freiburg
Online-Selbstlernmodule zu allen Bereichen der Physischen Geographie. Diese eignen sich eher für die Sekundarstufe II.
FIS Fernerkundung in der Schule
Online-Module zum Einsatz der Fernerkundung in der Schule.
Zur FIS Fernerkundung in der Schule
Scinexx Wissensmagazin
Wissensmagazin mit Beiträgen zu Geographie, Geologie, Ökologie und Biologie. Das Angebot bietet sich als Grundlage für erste Recherchen an.
Wissensplattform Erde und Umwelt
Zahlreiche, gut aufbereitete geowissenschaftliche Themen mit aktuellem Daten- und Kartenmaterial. Das Angebot bietet sich als Grundlage für erste Recherchen an.
Zur Wissensplattform Erde und Umwelt
Atlanten der Heinrich Böll Stiftung
Erschienen sind u. a. der Meeresatlas, der Bodenatlas, der Plastikatlas, jeweils mit zahlreichen Infografiken und Karten. Ein kostenloser pdf-Download ist verfügbar.
Zu den Atlanten der Heinrich Böll Stiftung
World Ocean Review
Erschienen sind bisher die Bände 1– 6 zu meereswissenschaftlichen Inhalten, die oft auch die geographische Perspektive beinhalten und anschauliches Material bieten.
- Thema: Methodik & Didaktik
- Autor/in: Sören-Kristian Berger