Lisa-Malin Harms
Potenziale des Spielens im kompetenzorientierten Unterricht nutzen
Kaum etwas motiviert so sehr wie Spiele. Deshalb werden deren Mechanismen immer öfter auf spielfremde Lebensbereiche übertragen. Im Französischunterricht gilt es, Spiele sinnvoll zur vielseitigen Kompetenzförderung einzusetzen, Lernziele mit Spielspaß zu verbinden und eine ausgewogene Mischung aus analogen und digitalen Spielemöglichkeiten anzubieten.
„Nur noch eine halbe Stunde, bitte!“ „Nicht jetzt, ich muss erst noch dieses Level schaffen!“ Wer schon einmal versucht hat, einen Teenager, der gerade wie gebannt auf einen Bildschirm blickt und in ein digitales Spiel vertieft ist, davon zu überzeugen, endlich auf den Aus-Knopf zu drücken und aus der virtuellen Spielwelt in die Realität zurückzukehren, hat die oben genannten Sätze mit Sicherheit schon gehört. Wie auch immer man zu exzessivem Spielekonsum unter Jugendlichen stehen mag, eines steht fest: Die Faszination und Motivationskraft, die Videospiele auf (junge) Menschen ausüben können, ist bemerkenswert. Und wie großartig wäre es, wenn Schülerinnen und Schüler unregelmäßige Verben und neue Vokabeln mit derselben Ausdauer und Begeisterung üben würden, mit der sie in der virtuellen Welt beharrlich versuchen, das nächste Level zu erreichen oder einen besonders perfiden Endgegner zu besiegen. Gibt es tatsächlich einen Weg, die Motivationskraft von Videospielen – zumindest ansatzweise – auf den Unterricht zu übertragen? Aktuell geht in der Didaktik ein vergleichsweise neuer Begriff um, der mehr und mehr an Popularität gewinnt und auf diese Frage eine optimistische Antwort gibt: der Begriff der gamification.
Von der gamification in der Werbebranche ...
„Etwas Gescheiteres kann einer doch nicht treiben in dieser schönen Welt, als zu spielen. Mir kommt das ganze Leben wie ein Spiel vor.“ (Ibsen 1894: 12) Diese Worte hat Henrik Ibsen 1894 einer seiner Dramenfiguren in den Mund gelegt und etwas Ähnliches mag man sich gedacht haben, als Mitte der 2000er-Jahre der Begriff der gamification im englischen Sprachraum und der dahinterstehende Ansatz in der Werbebranche Fuß fassten. Der Begriff bezeichnet die Übertragung von spieltypischen Elementen auf nicht-spielerische Lebensbereiche. So sollte etwa das Erstellen von Ranglisten, das Sammeln von Punkten oder die Vergabe von Trophäen dazu dienen, Kunden an bestimmte Unternehmen zu binden. Ob nun die Bonusmeilenprogramme von Fluggesellschaften oder Treuepunkteaktionen von Tankstellen – überall dort, wo videospieltypische Wettbewerbs-, Belohnungs- oder Feedback-Elemente eingesetzt werden, agieren Menschen motivierter, engagierter und beharrlicher. Dies ist der Grundgedanke der gamification, die aus jeder Tätigkeit ein Spiel zu machen verspricht und eine extrinsische Motivation aufbaut, die sich im Idealfall schrittweise in eine intrinsische Motivation verwandelt.
... zur ludification im Französischunterricht
Auch das Fremdsprachenlernen besteht bekanntermaßen zu einem nicht geringen Anteil aus Aktivitäten, für die viele Schülerinnen und Schüler nicht intrinsisch motiviert sind. Daher scheint es nur folgerichtig, dass das Prinzip der gamification als Mittel zur zielgerichteten Motivationsförderung in den letzten Jahren auch in der Fremdsprachendidaktik aufgegriffen wurde. In Frankreich hat man jedoch wie so oft einen englischen Begriff durch einen französischen ersetzt und spricht hier von ludification (auch als Verb: ludifier) – eine Wortwahl, die sich auch für die deutsche Französischdidaktik empfiehlt, wenn es darum geht, den Sprachunterricht durch videospielbekannte Elemente attraktiver und motivierender zu gestalten.
Digital oder analog?
Der Begriff der ludification ist vergleichsweise neu. Doch handelt es sich beim dazugehörigen Konzept tatsächlich um eine didaktische Innovation, oder wird hier alter Wein in neue Schläuche gefüllt? Die Antwort darauf ist ein klares ‚Jein’. Einerseits stammt der Begriff aus...
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- Thema: Lernstrategie
- Autor/in: Lisa-Malin Harms