Victoria Kliebes
Detektive auf der Suche nach Dieben, Wörtern und Sprachstrukturen
Wer die Trennung von Wortschatz- und Grammatikarbeit überwindet und eine enge Verbindung zur inhaltlichen Arbeit schafft, wird den Weg zur kommunikativen Kompetenz ebnen. Mit der Kriminalgeschichte vom Diebstahl der Joconde im August 1911, dem Themenvokabular „Kunstraub“ und der Erarbeitung des passé composé kann dies gelingen.
Wortschatz und Grammatik sind im mentalen Lexikon eng miteinander verknüpft, denn die meisten Wörter sind flektierbar und benötigen daher für ihre Anwendung einen schnellen Zugriff auf ihre morpho-syntaktischen Informationen, ohne den eine flüssige und authentische Kommunikation nicht gelingen kann. Der folgende Unterrichtsvorschlag basiert daher auf der Verknüpfung von Inhalt und Form und integriert die Prinzipien Authentizität, Inhalts- und Problemorientierung. Problembewältigung ist sowohl inhaltlich gemeint (Lösen eines Kriminalfalls) als auch sprachlich, indem Wortbedeutungen und Sprachstrukturen im Sinne des entdeckenden Lernens erschlossen werden. Dies regt ein tieferes Verständnis und längeres Behalten an und schult die Fähigkeit des selbstständigen Erschließens in echten Kommunikationssituationen. Bereits im lexikalischen Ansatz wurde Sprache als „grammatikalisierte Lexik“ aufgefasst, die sinnvollerweise in Form von chunks gelernt wird (Lewis 1993). Eine Trennung der sprachlichen Mittel verkompliziere mitunter das Sprachlernen unnötig (Müller-Hartmann / Schocker 2016).
Ziele und Inhalte der Einheit
Die Einheit ist als historische Kriminalgeschichte aufgebaut, bei der die Schülerinnen und Schüler als clevere Tat- und Sprachermittler den berühmten Raub der Mona Lisa aus dem Louvre lösen müssen. Die Indizien stammen aus einem realitätsnah konzipierten Zeitungsartikel des Petit Parisien vom 21.8.1911, der über das mysteriöse Verschwinden des Gemäldes am Vortag berichtet (Kasten 1), und aus einem Verhör, in dem sich der Dieb schließlich verrät.
Das u.a. affektiv basierte ESA-Prinzip (Engage, Study, Activate nach Harmer 2001) weckt den Ehrgeiz, Indizien zu sammeln und das Rätsel zu lösen. Durch illustrierte Lese- und Hörtexte werden fünf Fertigkeiten trainiert, und die Dramaturgie des Kriminalfalls und der problemlösende Fokus bewirken ein lebendiges, motivierendes und ganzheitliches Lernarrangement, das Wortschatz und Grammatik verbindet.
Le vol de la Joconde en 1911
Le vol de la Joconde en 1911
Das berühmte Gemälde, auf dem Leonardo da Vinci vermutlich die Florentinerin Lisa del Giocondo darstellt, dürfte vielen Schülern und Schülerinnen als Mona Lisa bekannt sein. Dass der Louvre ihr musealer Standort ist, thematisieren mehrere Lehrwerke. Details über den mysteriösen Raub im August 1911 erweitern das kulturelle Wissen, die Verdächtigungen von Guillaume Apollinaire und Pablo Picasso sind Kuriosa, ähnlich wie die Auflösung des Falls: Täter war der italienische Museumswärter Perrugia, der vermutlich aus patriotischem Anlass das Gemälde in seine italienische Heimat „rückführen“ wollte (vgl. Debaecker 2016). Das Thema wird im französischen Kulturraum immer wieder verarbeitet: in der BD Qui a volé la Joconde ? (von Frécon / Loizeau 2014), den Filmen von Michel Deville (1996) und Fabrizio Costa (2006) sowie in Geschichtsdarstellungen wie im Pariser Grand Palais (http://www.grandpalais.fr/fr/article/qui-vole-la-joconde) oder in didaktischen Aufklärungen für Kinder im Louvre: http://www.louvre.fr/le-louvre-raconte-aux-enfants/le-vol-de-la-joconde
Vorwissen
Folgendes inhaltliche, methodische und sprachliche Vorwissen wird vorausgesetzt: Kenntnis des Gemäldes, Malers und Museumsstandortes, Erfahrung mit interaktiven Arbeitsformen, mit lexikalischen Vernetzungen (möglichst Wörternetzen), mit Lese- und Texterarbeitungsstrategien wie dem Aufstellen von Hypothesen auf der Basis von Kotext und Bildern. Auf sprachlicher Ebene bekannt sein sollten die Strukturen der Verneinung und des...
Sie sind bereits Abonnent?
Jetzt ganz einfach mit F+ weiterlesen
- 30 Tage kostenloser Vollzugriff
- 5 Downloads gratis enthalten
- Thema: Wortschatz & Grammatik
- Autor/in: Victoria Kliebes