Kathrin Sommerfeldt
Schriftliche Sprachmittlung im Abitur
Von einem deutschen Zeitungsartikel über eine Lehrstellenrallye zu einem spanischen Redeskript: Bei der Mittlung müssen die Schüler die Zieltextsorte und die Adressaten berücksichtigen. Expansion und Reduktion sind dabei die zentralen Prinzipien.
Ist mit dem „Handwerk zum Ausprobieren“ die Sprachmittlung gemeint? Das könnte sein, denn Sprachmittlung ist in der Tat eine Fertigkeit, für die man Handwerkszeug braucht. Aber eine Fertigkeit, die (erst) im Abitur probiert werden soll? Das ist wenig wahrscheinlich! Und tatsächlich: Es handelt sich nicht um die Fertigkeit, sondern um den Titel eines Textes, der als Grundlage für eine schriftliche Sprachmittlungsaufgabe in einer Prüfung fungierte.
Der Ausgangstext
In dem Text (hoja de trabajo 1) geht es um eine Lehrstellenrallye, die organisiert wurde, um Schüler für eine Ausbildung in Handwerksberufen zu interessieren. Dieser Text vereint verschiedene Kriterien, die ein Text erfüllen muss, um als Ausgangstext geeignet zu sein (vgl. Engelhardt / Sommerfeldt 2016): Er darf nicht zu lang sein, denn die schriftliche Sprachmittlung ist nur ein Teilbereich der schriftlichen Prüfung.
Er muss wichtige(re) und unwichtige(re) Informationen enthalten, damit die Lernenden auswählen und die Lehrkraft die Auswahl bewerten kann. Und er muss vor allem interkulturelles Mittlungspotenzial enthalten, also Begriffe oder Konzepte, an denen die Lernenden nachweisen können, dass sie kulturelle Unterschiede nicht nur erkennen, sondern auch in der Lage sind, inhaltlich und sprachlich darauf in dem Sinne angemessen zu reagieren, dass ein spanischsprachiger Adressat den gemittelten Inhalt versteht.
Sprachliches und inhaltliches Potenzial
Der vorliegende Zeitungsartikel umfasst 408 Wörter und ist für deutschsprachige Abiturienten schnell zu erschließen. Er erhält eine Vielzahl von Detailinformationen (Orts- und Personennamen, Berufsbezeichnungen, konkrete Beispiele), die für die Mittlung der Grundidee irrelevant sind. Die Grundidee selbst wiederum greift ein „typisch deutsches“ Phänomen auf, nämlich die Berufsausbildung im Handwerksbereich, für die in vielen Branchen der Nachwuchs fehlt. Anders als in Spanien, wo durch die Krise viele Jugendliche keine Arbeit finden, suchen in Deutschland viele Betriebe Auszubildende und entwickeln Konzepte, um die angebotenen Arbeitsplätze attraktiv zu machen. Diesen interkulturellen Unterschied müssen die Schüler berücksichtigen, wenn sie die Informationen von einer Sprache in die andere übertragen. Der Wortschatz zu den Themen Schule und Ausbildung ist ihnen sicher aus dem Unterricht bekannt; unbekannte Vokabeln, die von zentraler Bedeutung sind (wie „Handwerk“,„Handwerkskammer“ oder auch „Rallye“), können sie im Wörterbuch nachschlagen, falls sie sie nicht kennen. Bei anderen Begriffen (wie „hineinschnuppern“, „Hand anlegen“ oder „Nachwuchsmangel“) sind Umschreibungstechniken gefragt, damit die Botschaft des Textes adäquat beim Adressaten ankommt.
Schriftliche Sprachmittlung als Interaktionssituation?
Da bei der schriftlichen Sprachmittlung ja immer nur der Kommunikationsanteil des Senders, und nicht der des Empfängers sichtbar wird, entscheidet sich über die konkrete Aufgabenstellung für die Sprachmittlung, ob diese tatsächlich die kommunikative Kompetenz der Schüler abbildet, wie es die Bildungsstandards1 vorsehen. Kommunikation zeichnet sich durch Interaktion aus; die Aufgabe muss daher eine potenziell authentische Interaktionssituation beschreiben, in der diese Fertigkeit von den Schülern sinnvoll einzubringen ist. Aber wann wird „im wirklichen Leben“ ein schriftlicher Text von einem Schüler schriftlich in einer Interaktionssituation gemittelt? Die Frage nach der Authentizität zeigt, dass dafür nur eine sehr eingeschränkte Anzahl von Anlässen denkbar ist, die wiederum eine ebenfalls eingeschränkte Anzahl von möglichen Zieltextsorten nach sich ziehen (vgl....
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- Thema: Sprachmittlung, Lesen & Schreiben
- Autor/in: Kathrin Sommerfeldt