Jakob Berger | Morten Blöcker
Eine kritische Auseinandersetzung mit YouTube in einer BD de reportage
Die BD von Claire Le Nestour und Matthieu Méron zeigt, dass eine Zeichnung viel mehr sein kann als die Illustration eines Textes: In ihrer Diskrepanz zur Textebene stiftet sie Dissens und ruft Lernende zu kritischer Meinungsbildung auf. Diese ist gerade dann motivierend, wenn es um das eigene Mediennutzungsverhalten geht.
YouTube hat einen festen Platz im Lebensalltag junger Menschen. Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Popularität leisten YouTuber, die oft als Protagonisten ihrer eigenen Videos agieren und somit ein hohes Identifikationspotenzial für ihr Publikum entfalten. Soll der Französischunterricht der aktuellen Lebensrealität von Jugendlichen – allesamt natifs numériques – gerecht werden, steht er vor der Herausforderung, sie in der Analyse und Reflexion der digitalen Welt anzuleiten und dabei die Relevanz digitaler Medien sowohl für wirtschaftliche als auch für politische Zusammenhänge herauszustellen (KMK 2016: 18). Lernende können dabei nur zu einer reflektierten, mündigen Haltung gegenüber ihrem individuellen Rezeptions- und ggf. auch Produktionsprozess gelangen, indem sie die Entstehungsbedingungen digitaler Texte (z. B. YouTube-Videos) sowie deren prägende Merkmale in ihrer Funktion verstehen und problematisieren.
Un espace créatif et libre ?
Eine Thematisierung des Mediums YouTube erleben Jugendliche gerade dann als motivierend, wenn es gelingt, ihr tatsächliches Nutzungsverhalten der Sozialen Netzwerke wertschätzend einzubinden und parallele Entwicklungen in der französischen Jugendkultur aufzuzeigen. Die gegebene Unterrichtseinheit (s. Kasten 2) bietet daher einleitend dem Panorama der verschiedenen Sozialen Medien Raum und beleuchtet anschließend das Medium YouTube differenziert.
Claire Le Nestour und Matthieu Méron bieten mit ihrer BD de reportage „YouTube, une usine à clics fric“ insofern besonders lohnende Anregungen, als sie einen vielschichtigen Einblick in Aufbau und Funktionsweise des YouTube-Universums eröffnen (s. Kasten 1
). Die Präsentation detaillierter Hintergrundinformationen ist dabei eine wichtige, textsortentypische Komponente der BD de reportage (Schwemer 2017: 13): Die Leser erfahren, dass YouTuber eine große Anhängerschaft erreichen, die ihre Videos für Markenwerbung attraktiv macht. YouTube beteiligt sie an Einnahmen aus Werbespots, die zu Beginn, inmitten oder im Anschluss ihrer Videos zu sehen sind (vgl. Unterrichtssequenz 1). Diese Monetarisierung ist durch die explizite Trennung zwischen Werbe- und YouTube-Video-Sequenz offensichtlich. Eine subtilere Art des Geldverdienens nutzt hingegen die emotionale Bindung zwischen Fan und YouTube-Star aus. Als sogenannte Influencer beeinflussen YouTuber ihr jugendliches Publikum: Sowohl Meinungen, die YouTuber in ihren Videos vertreten, als auch Produkte, die exponiert werden, gewinnen an Attraktivität. Markenhersteller, die hier die Zielgruppe ihres Produktes vermuten, entlohnen den jeweiligen YouTuber dafür, dass er es positiv platziert (brand content, vgl. Unterrichtssequenz 2). Diese Instrumentalisierung und Kommerzialisierung der YouTuber-Nutzer-Beziehung ist vor allem dann fragwürdig, wenn YouTuber die Einflussnahme durch Dritte verschweigen, um ihr Image von Authentizität und Unabhängigkeit zu wahren.
YouTube, une usine à clics fric
YouTube, une usine à clics fric
Anhand der 14-jährigen Juliette, die von einer eigenen Karriere als YouTubeuse träumt, wird die schillernde YouTube-Welt problematisiert: Das Autorin-Zeichner-Duo bietet umfassende Hintergrundinformationen zum Berufsstand der YouTubeurs sowie zu Potenzial und Gefahren der Plattform. Neben französischen YouTubern kommen weitere Akteure des YouTube-Universums zu Wort.
Dissens von Text- und Bildebene
Das Autorenteam ergänzt seine BD durch persönliche Einschätzungen sowie subjektive Eindrücke und macht sie so zum journalistischen...
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Fakten zum Artikel
- Thema: Film & Medien
- Autor/in: Jakob Berger, Morten Blöcker