Frank Hilker und Bernhard Sieve
Lernen und Kompetenzentwicklung im Fach Chemie sind wie in jedem anderen Fach nur dann nachhaltig und erfolgreich, wenn auch entsprechend geübt wird. Das „Üben“ ist damit ein unverzichtbarer Bestandteil jedes Lernprozesses, wie unsere Unterrichtserfahrung lehrt und man auch aus neurobiologischen Untersuchungen weiß [1, S. 53 ff.]. Lernende sehen dies mitunter gänzlich anders und empfinden das Üben mehr als notwendiges Übel. Wir möchten in diesem Beitrag die besondere Bedeutung des Übens für das nachhaltige Lernen von Chemie darstellen und dabei speziell Übungsformen und -formate in den Blick nehmen, die auf das intelligente Üben abzielen (Kasten 1).
Das Üben selbst erfolgt dann meist über konkrete Aufgabenstellungen. Die Art der Übungsaufgaben unterscheidet sich dabei meist nicht von der Form her von anderen Aufgabenstellungen, wohl aber von der primären Zielsetzung und der Position der Aufgabe im Lernprozess (Kasten 2).
1|Merkmale von intelligentem Üben
1|Merkmale von intelligentem Üben
Inhaltliche Merkmale:
- Bewusstheit der Ziele – Sinnstiftung: Den Übenden wird bewusst gemacht, wozu in der Unterrichtssituation geübt wird. Sie wissen dann, was sie durch die Übung besser verstehen oder besser können. Sie wissen, wozu sie diese Kenntnisse und Fähigkeiten nutzen können.
- Entdeckende Aufgaben – Kognition: Die Übungsaufgaben ermöglichen ein entdeckendes Lernen beim Üben. Beim Bearbeiten sind verschiedene Wege möglich und sie lernen dabei gleichzeitig Chemie. Die Aufgaben decken nicht nur Routinen und einfache Wiederholungen von Inhalten ab.
- Differenzierende Aufgaben – Individualität: Die Aufgabenstellungen sind so gestellt, dass Lernende mit verschiedenen Lernvoraussetzungen mit ihnen arbeiten und entsprechend ihrem Niveau einen Nutzen daraus ziehen können.
- Das Üben erlernen und reflektieren: Die Aufgaben regen zum Nachdenken über den Sinn des Übens an und ermuntern zum eigenständigen Üben. Dabei finden sich in den Aufgaben Hinweise, wie die Übekompetenz verbessert werden kann.
Methodische Merkmale:
- Kurz und regelmäßig: Es wird oft, aber dann jeweils nur kurz geübt. Dies ermöglicht regelmäßiges Üben (jede Stunde, jede zweite Stunde).
- Transparenz in den Regeln: Gemeinsam vereinbarte Regeln werden eingehalten (z. B. Lautstärke, Herumlaufen) und es herrscht eine ruhige, konzentrierte Arbeitsatmosphäre.
- Transparenz in den Aufgaben: Übungsmaterialien und -aufgaben erklären sich selbst und erlauben eine Kontrolle des Lernerfolgs durch die Lernenden – allein oder im Tandem.
- Feedback: Während der Übung beobachtet die Lehrkraft die Lernenden und leistet, soweit nötig, situativ angemessene Unterstützung. Durch aufmunterndes Feedback wird das Kompetenzerleben erhöht.
Zusammenstellung der Merkmale nach [6, 7]
2|Übungsaufgaben versus Lernaufgaben
2|Übungsaufgaben versus Lernaufgaben
Typische Lernaufgaben, wie sie beispielsweise in [8] beschrieben sind, weisen folgende Merkmale auf. Lernaufgaben
- ermöglichen eine hohe kognitive Aktivierung möglichst vieler Schülerinnen und Schüler,
- unterstützen selbstständiges und individualisiertes Lernen,
- unterstützen die Fähigkeit, das eigene Lernen zu reflektieren,
- lassen sich einfach in kooperative Lernformen einbinden.
Übungsaufgaben, wie sie im Beispiel 2 dargelegt sind, zeigen hinsichtlich des Formats einen hohen Deckungsgrad mit Lernaufgaben. Um der didaktischen Funktion des Übens jedoch gerecht zu werden, ist zu bedenken, dass in Übungsaufgaben nicht der erarbeitende Charakter an erster Stelle steht, sondern vielmehr das Bewusstmachen und Einüben von Denk- und Handlungsroutinen sowie von Lösungsstrategien.
Warum ist Üben im Chemieunterricht so wichtig?
Das Üben im Chemieunterricht wird von Lehrkräften als wichtig erachtet, doch zeigen empirische Befunde, dass „ein Großteil der Lehrerinnen und Lehrer praktisch keine oder nur wenig Gelegenheiten findet, im Unterricht mit den Schülerinnen und Schülern zu üben“...
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- Thema: Methoden & Konzepte
- Autor/in: Frank Hilker und Bernhard Sieve